Die Parabel vom goldenen Ball
Es war einmal ein kleiner Mann. Der lebte in einer Zeit, als das Lachen noch nicht erfunden war. Er hatte keinen Namen, also nannte man ihn einfach „Du“. Er interessierte sich für alles um sich herum: die Menschen, die Natur, Gegenstände, deren Namen er nicht kannte und sogar für Dinge, die noch gar nicht existierten. Er versuchte sie in einen Zusammenhang zu bringen, um sie dann wieder isoliert als Teil eines grossen Ganzen untersuchen zu können. Er zog durch die Welt und beobachtete. Die Welt war zu dieser Zeit noch grau. Es gab zwar Farben, diese hielten sich jedoch bedeckt im Hintergrund. Der Tag sah am morgen gleich aus wie am Mittag und am Abend. Der Winter und der Sommer unterschieden sich lediglich durch ihre Namen.
Der kleine Mann war von Beruf Lachmacher. Er zog durch die Lande und versuchte, mit Geschichten und kleinen Vorführungen den Menschen zu zeigen, wie Lachen aussehen und sich anhören könnte. Diese amüsierten sich in einer lachlosen Art und Weise und halfen dem kleinen Mann mit kleinen Spenden, sein kleines Leben fristen zu können.
So geschah es, dass der kleine Mann eines Tages einen goldenen Ball fand. Fasziniert von diesem unbekannten Gegenstand baute er ihn sofort in sein Unterhaltungs- und Unterhaltsprogramm ein. Die Zuschauer bestaunten mit grossen Augen diesen goldenen Ball, verloren jedoch schnell das Interesse daran, wenn sie herausfanden, dass dieser Ball nicht vom Boden weg springen wollte. Egal wie wuchtig der kleine Mann den Ball zu Boden schmetterte, er blieb dort wie angeklebt liegen. Deshalb erfand der kleine Mann eine Geschichte dazu: dieser spezielle Ball war nicht einfach dazu gemacht, auf den Boden geworfen zu werden. Nein, er war zu Höherem bestimmt. Es handelte sich bei diesem speziellen Ball nämlich um einen Himmelwurf-Ball.
Um seine Geschichte mit theatralischen Gesten wirkungsvoller präsentieren zu können, übte der kleine Mann jeden Tag, den Ball immer höher in den Himmel zu werfen. Er tat dies, bis eines Tages der Ball am Himmel hängen blieb und die graue Welt in ein goldenes Licht tauchte.
Die Farben krochen aus ihren Verstecken hervor und streiften ihre grauen Schleier ab. Die ganze Welt erstrahlte in einem sonnigen Glanz. Die Augen der Menschen füllten sich mit Farbe, Licht und Tränen. Und die Tränen kamen aus den Herzen, stiegen empor und zogen das Lachen mit sich, so dass überall auf der Welt fröhliches Gelächter laut wurde. Und während sich die Menschen an den Farben erfreuten und lachten, wurde der Job des Lachmachers überflüssig.
Der kleine Mann versuchte, sich auf das Geschichteerzählen zu verlegen. Er zog weiterhin durch die farbigen Lande und erzählte seine Geschichte vom goldenen Ball, so wie sie sich zugetragen hatte. Es gelang ihm, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen, denn er war ein begabter kleiner Mann. Doch die Menschen glaubten ihm nicht und sie belächelten ihn. Diese Art des kleinen Lachens liessen die Menschen den ehemaligen Lachmachern überall auf der Welt zukommen, bevor sie sich endgültig von ihnen abwandten.
Der kleine Mann fiel in eine Mitten-Im-Leben-Krise. Während alle lachten, war er traurig darüber, dass ihm niemand glauben wollte. Doch eines Tages kam ihm die Erleuchtung. Er stand auf, ging mit seinem offenen Blick für Neues hinaus in die Welt und wurde Marketingleiter. Er hatte keine Mühe sich dieser Gilde anzuschliessen, da er die wesentlichen Herausforderungen dieser Berufsgattung bereits am eigenen Körper erleben durfte.
Und so kam es, dass sich bis heute überall auf der Welt Marketingleiter in einer farbigen Welt von der Sonne bescheinen lassen können.