Wape 2.0

„Liebling, Achtung, hier kommt Peter 2.0!“ „Weshalb 2.0?“ Ja, weshalb eigentlich? Heute ist doch alles „Bessere“ zwei-punkt-null. Das Web 2.0 kann nun auch hören. Das ursprüngliche Web lieferte eigentlich nur Informationen. Heute können auch wir uns im Internet äussern, in Chats, Foren und dergleichen. Das iPad 2.0 kann nun auch sehen: mit der eingebauten Kamera kann ich nun mein Knie oder den Boden fotografieren. Für höher liegende Motive benutze ich das viel handlichere iPhone. In Bayern beginnt Ludwig II als Ludwig 2.0 in seinem virtuellen 3-D-Schloss-Neuschwanstein wieder zu regieren. Der alte Monarch hatte nur eines aus Stein zur Verfügung. In der Schule 2.0 werden Computer zur pädagogischen Unterstützung eingesetzt, damit die Lehrer wieder etwas mehr Zeit für die Ferienplanung bekommen. Es scheint alles möglich zu sein mit dem Zusatz „2.0“.

Zwei-Punkt-Null bedeutet ja nicht nur eine kleine Verbesserung, eine marginale Korrektur oder eine kosmetische Streifung. Nein, wir sprechen in diesem Zusammenhang von grossartigen, tiefgehenden und weltverändernden Neuerungen. In der 2.0-Welt ist alles besser, einfacher, schneller, interaktiver, individueller und natürlich cooler. Und genau deshalb habe ich mich als Version 2.0 reloaded. Ich möchte nämlich cooler sein!

Natürlich drängt sich an dieser Stelle die unumgängliche Frage auf, ob „cooler sein“ auch wirklich cool ist. Wie steht es um den Servelat 2.0? Am einen Ende etwas vorgekaut, am anderen schon leicht anverdaut? Oder Kinder 2.0? Die alten weg, die neuen mit ein paar PS mehr? Die Ehe 2.0: neu mit den Add-Ons Sandra, Gabi und Andrea. Oder soll es vielleicht ein Van Gogh 2.0 sein? Etwas teurer als das Original, dafür mit eingebauter LED-Beleuchtung. Ist wirklich alles Neue besser? Ich erinnere mich zurück, als ich sie kennen lernte. Sie war jung, schön und so verliebt. Und mich gab es nur als Version 1.0. Heute als 2.0 Release will sie mich nicht mehr – trotz den neuen Features „Porsche“, „Jahresbonus“, „graue Haare“ und „Sekretärin Andrea“.

Wenn ich wirklich etwas Neues zu bieten hätte, etwas Aussergewöhnliches oder Einzigartiges, dann wäre es mir eigentlich wichtig, als Ursprung und Original gesehen zu werden. Bei all den vielen Korrekturen in meinem Leben, bei jedem Partnerwechsel, bei jedem Stellenwechsel, bei jeder Geburt meiner Kinder müsste eigentlich ein Versions-Update stattgefunden haben. Wenn ich heute also erst bei 2.0 angelangt bin, müsste ich mein Leben in zwei Sätzen zusammenfassen können. „Zwei-Punkt-Null“ scheint eine clevere Metapher zu sein, die von einfallsreichen Marketing- und Werbespezialisten verwendet wird, um eine nicht genau bekannte Verbesserung mit möglichst grosser Wirkung in den Markt zu schreien. Und wir fahren voll darauf ab, weil wir cool sein wollen.

„Ach nur weil ich heute ohne fremde Hilfe meine erste Mitteilung in Facebook posten konnte“, gab ich ihr zur Antwort, klemmte meinen iPad 2.0 unter den Arm und zog mich mit einem verstohlenen Lächeln in mein Büro 2.0 zurück. Aus dem Bilderrahmen auf dem Schreibtisch strahlte mir meine 2.0-Frau entgegen.

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© Peter Waltenspühl, 2019

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